Einiges, würde man in Deutschland kurz angebunden antworten. Aber was genau? Dafür muss ich mit Euch erst einmal kurz den Schlenker über die 90.000 hinduistischen Gottheiten und Avatare machen, um beim mächtigen Lord Shiva zu landen.
Shiva erkennt man an seinem Dreizack und dem Tanz, bei dem er die Welt zerstört. Eine von vielen Legenden besagt, dass Shiva aus der Unterwelt und durch das Ohr einer Kuh wieder zu unserer Welt hochkam. Und das ereignete sich an einem kleinen Ort im Süden Indiens, etwa 150 km südlich von Goa, der seitdem den klangvollen Namen Gokarna trägt – auf Hindu „Kuhohr“. Genau da sollte ich dann auch landen. Raus aus meinen Alltagssorgen. Raus aus dem November Rain. Rein in die tägliche Yoga-Praxis. Rein in den warmen indischen Ozean. Und ab in das bunte Hindu-Treiben.
Die Vorgeschichte…
…dazu war Nepal und das Buch „Shantaram“…
“Mumbai is the sweet, sweaty smell of hope, which is the opposite of hate; and it’s the sour, stifled smell of greed, which is the opposite of love. It’s the smell of Gods, demons, empires, and civilizations in resurrection and decay. Its the blue skin-smell of the sea, no matter where you are in the island city, and the blood metal smell of machines. It smells of the stir and sleep and the waste of sixty million animals, more than half of them humans and rats. It smells of heartbreak, and the struggle to live, and of the crucial failures and love that produces courage. It smells of ten thousand restaurants, five thousand temples, shrines, churches and mosques, and of hunderd bazaar devoted exclusively to perfume, spices, incense, and freshly cut flowers. That smell, above all things – is that what welcomes me and tells me that I have come home. Then there were people. Assamese, Jats, and Punjabis; people from Rajasthan, Bengal, and Tamil Nadu; from Pushkar, Cochin, and Konark; warrior caste, Brahmin, and untouchable; Hindi, Muslim, Christian, Buddhist, Jain, Parsee, Animist; fair skin and dark, green eyes and golden brown and black; every different face and form of that extravagant variety, that incoparable beauty, India.” ― Gregory David Roberts, Shantaram
Nach meiner Reise im Frühjahr und dem zweiten Teil von Shantaram war ich innerlich bereit für die Begegnung mit der „großen Schwester“ von Nepal. Und als meine Yoga-Lehrerin sagte, sie organisiert einen Retreat in Indien, konnte mich nichts mehr zurückhalten. Nicht nur die Reiselust packte mich, sondern auch die Ungeduld, meine tägliche Yoga-Praxis seit 1,5 Jahren zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Ich konnte es kaum fassen, als ich dann Anfang November an diesem heiligen Strand neben einer heiligen Kuh einen der schönsten Sonnenuntergänge meines Lebens erlebte.
Yoga everyday, baby
Mit einer Gruppe toller Menschen aus Bulgarien ließen wir uns darauf ein: Aufstehzeit, unabhängig von der Menge Bier am Abend davor – jeden Tag um halb 7, herausfordernde Yogapraxis bis 9 und eine zweite am Nachmittag. Jeder einzelne Muskel in meinem Körper wurde an seine Existenz erinnert. Dank des Iyengar-Ansatzes meiner Lehrerin – zentral hier ist die Ausrichtung des Körpers in jeder Asana und dabei werden verschiedene „Props“ benutzt wie Gürtel, Yogasteine etc. Jeder Körper kann jede Asana, so die Maxime. Der Begründer B. K. S. Iyengar praktizierte vor seinem Tod mit 96 Jahren immer noch 3 Stunden täglich Yoga. Ohne Worte.
And what about espresso?
Zwischen den Praktiken haben wir Indien in einer light Variante erkundet, gefeilscht, Sonne getankt. Oder einfach mal nichts gemacht. Was auf Bulgarisch so gut wie Kaffeetrinken bedeutet. Wie groß unsere Überraschung gewesen ist, als wir in einer Karte das Wort „Expresso“ erblickten. Ich verrate Euch jetzt ein Geheimnis – nicht nur Italiener sind verrückt nach gutem Espresso, auch Bulgaren! Also bestellten wir 6 espressi. Halbe Stunde später war immer noch keine Spur davon. Bis auf einmal eine große Espressokanne (1l Kaffee) mit einem Glas zu Tisch gebracht wurde.
Daraufhin noch 5 von der gleichen Größe. 6l Kaffee, wir hatten genug bis zum Ende des Urlaubs.
Bollywood-Industrie für Sonnenuntergänge
The Kudle (ausgesprochen K-u-d-l-e) Beach ist die Traumkulisse eines jeden indischen Pärchens, welches Bollywood Romantik in Bildern nachstellen möchte. Gegen halb 6 abends füllt sich der Strand mit Menschen jeder Nationalität, Kühen, Hunden, Seesternen (hunderte davon hausen im Sand tagsüber), um die tägliche Dose Romantik bzw. das tägliche Essen zu sich zu nehmen. Denn es folgt einer der herzergreifendsten Szenerien je. Oh man! Die Jungs, die in den Strandcafes arbeiten, spielen Fußball. Die Touristen baden in den pinken Nuancen des Meeres. Die alt eingesessen Hippies verkaufen organische Produkte. Und Schmuckverkäufer mit göttlichen Namen wie Shiva und Krishna versuchen das Geschäft ihres Lebens zu machen. Orange, pink, rot – die Sonne küsst das Meer und taucht hinein. Und du wirst diesem Anblick einfach nicht müde. Abend für Abend. Nach Sonnenuntergang füllt sich dann das Sunset-Cafe und das andere daneben – nach ein paar Tagen kennt man sich halt, man mag sich, es ist lecker und das „Kingfisher-Bier“ schmeckt in der nächtlichen Hitze. Die bulgarische Gruppe singt und tanzt, damit hat keiner hier ein Problem. Bis auf einen Stuhl, der die bulgarische Gelassenheit nicht aushält und zusammenkracht.
@Manjit: next time we make a workshop about Bulgarian folk dances! 😜
What to dooo?
Ich mag es nicht zu verallgemeinern, aber ich habe diesen Spruch so oft während meiner Reise aus verschiedenen Mündern gehört, dass ich glaube, damit ein Stück indische Mentalität beschreiben zu können. Er bedeutet: so ist das Leben. Aber auch: was soll ich machen. Oder auch: wat weiß ich. Allgemein und immer verwendbar. Und seitdem ich wieder zurück bin, habe ich ihn in meinen beruflichen Projekthappener-Kontext integriert. Auch da passt er wie Arsch auf Eimer!
Das Lichterfest
Unsere Reise fällt zusammen mit einem der wichtigsten hinduistischen Feste – Diwali, das Lichterfest. 5 Tage lang werden verschiedene Götter geehrt. Die gelben Blumengirlanden baumeln überall, selbst die Frontscheiben mancher Rikshas sind voll geschmückt. Diwali ist wichtiger als die Sicht auf die Straße, soviel steht fest. Alle Geschäfte erstrahlen in Blumenpracht und kriegen einen Segen von den Brahmanen. Selbst Autos und Mopeds werden in einer langwierigen Zeremonie gesegnet. Vor den Häusern entstehen wunderschöne Zeichnungen, jeder verteilt Süßigkeiten. Eine lange Prozession galoppiert (ja, gutes Tempo darauf!) den Strand entlang mit einem Sarg voller Heiligkeiten und Göttergaben. Ich nehme einfach alles auf. Es ist so viel und überwältigend – da bleibt keine Zeit, um darüber zu urteilen. Es ist ein Fest.
Götter und Tempel
Als ausländische, weiße Frau darf ich in keinen wichtigen Hindu-Tempel hinein. Ein großer Unterschied zu den buddhistischen Tempeln in Nepal. Eine Ausnahme bilden die „shakti“-Tempel, die Tempel der weiblichen göttlichen Energie. Der Kali-Tempel in Gokarna gilt als einen energetischen Ort. Kali ist die schwarze Göttin des Zornes und des Todes, sie trägt eine Kette aus menschlichen Schädeln und gilt im Hindu-Glauben als eine der wenigen, die Wünsche erfüllen können. Deswegen wird sie sowohl von Frauen als auch von Männern angebetet. Ich lasse mich namentlich ins Gebet erwähnen, mir heiliges Wasser über das Haar streichen und eine Tika auf die Stirn machen. Der heilige Mann drückt mir ein Päckchen in der Hand. Gemeinsam mit einigen Blumen vom Diwali und meinem Wunschzettel bildet es jetzt mein Kali-Altar zu Hause.
Heilige Strände
Gokarna ist umgeben von faszinierenden Stränden. Man kann sie zu Fuß bewandern und entdeckt so immer wieder wunderschöne Ecken, größtenteils noch naturbelassen. Einer der schönsten Strände ist der Om-Beach in der besagten Form
Der Sonnenaufgang in Kudle Beach empfängt mich an meinem ersten Tag und der Mondschein über dem Ozean verabschiedet mich am letzten. Ich lehne mich zurück in den Taxisitz und lasse die Augen zufallen. 3,5 Stunden nach Goa.
@Anna: thank you for this amazing time and sharing your unique knowledge!
Tipps:
Anfahrt: Flug nach Goa International Airport (meist über Doha) und dann 3,5 Stunden Taxifahrt, am besten vorher über die Unterkunft organisiert.
Reisezeit: November bis Februar ist Trockenzeit und richtig Sommer
Unterkunft: je näher dem Strand, desto besser! Booking gibt es hier auch. Aber erwartet keinen Luxus von den Strandhüten. Es gibt auch luxuriösere Unterkünfte, aber sie sind weiter weg vom Strand und… Ich weiß nicht genau, wie man sie findet 🙂